Judith Bellaiche über das EPD als Trauerspiel und KI als Hoffnungsschimmer
Judith Bellaiche analysiert im heutigen Podcast die Baustellen der Schweizer Digitalpolitik. Die GLP-Politikerin zeigt sich erschrocken über die jüngsten Cybervorfälle beim Bund. Beim Thema Fachkräftemangel sieht sie die IT-Branche in der Pflicht. Und sie verrät, wen Sie gern zum Kaffee treffen würde.
Wo steht die Schweiz auf ihrem Weg in die Digitalisierung? Was waren die digitalen Fails und Erfolge der vergangenen Legislatur? Welche Baustellen muss die Politik anpacken? Anlässlich der eidgenössischen Wahlen 2023 trifft sich die Redaktion mit Politikern bekannter Parteien und misst ihren digitalpolitischen Puls. Heute im Podcast: Judith Bellaiche, Nationalrätin für die Grünliberale Partei (GLP/ZH).
"Work in Progress" – mit diesen Worten beschreibt Bellaiche den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Schweiz. Als Erfolge wertet sie das unlängst vom Parlament abgesegnete "Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben" (Embag) sowie die Umwandlung des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit (NCSC) in ein Bundesamt. "Es sind Anknüpfungspunkte, mit denen ich zufrieden bin", urteilt Bellaiche.
Doch wie bei den meisten interviewten Politikerinnen und Politikern ist auch bei ihr die Liste der Digitalisierungs-Fails länger als jene der Erfolge. "Wir sind alle peinlich berührt", sagt sie etwa, wenn sie von der Coronapandemie spricht. Während dieser habe man gemerkt, wie schlecht die Bundesverwaltung digitalisiert sei.
Erschrocken zeigt sie sich beim Thema Cybersecurity. Die jüngsten Cyberangriffe, insbesondere jener auf den Hoster Xplain, hätten "das wahre Ausmass der Katastrophe" offenbart. Auf Nachfrage beklagt Bellaiche das Fehlen des Bewusstseins für Cybersecurity. Diesen Kulturwandel könne man im Parlament zwar fordern, aber "für die Umsetzung ist der Bundesrat zuständig". Dass dies passiert, scheint die Politikerin zu bezweifeln: "Wir sehen niemanden, der hinsteht und sagt: Wir haben ein Problem, das wir anpacken wollen", bemängelt sie.
Kein gutes Haar lässt sie auch am elektronischen Patientendossier (EPD), welches sie unverhohlen als "Trauerspiel" bezeichnet. "Was man bekommt, ist eine PDF-Ablage", führt sie aus. "Ich als Patientin muss dann überall meine Daten einfordern gehen. Es hat nichts mit einer End-to-End-Digitalisierung eines Prozesses zu tun."
Auf den Fachkräftemangel angesprochen, kommt Bellaiche, die auch als Geschäftsführerin beim Digitalisierungsverband Swico amtet, auf die IT-Branche zu sprechen. Zwar habe die Politik gewisse Handlungsoptionen. "Aber am Schluss muss sich die Industrie bei der Nase nehmen und die Ausbildung von Fachkräften fördern."
Als "Silberstreifen am Horizont" bezeichnet sie dagegen die künstliche Intelligenz (KI). Die Schweiz stehe in der Pole Position, um hier führend zu sein. "Wir bieten Rechtssicherheit, Stabilität, weltweit absolute Spitzenköpfe und wir könnten noch viel mehr tun."
Im Podcast hören Sie ausserdem Judith Bellaiches Einschätzung zum Thema E-Voting und welche Themen sie in der nächsten Legislaturperiode anpacken will. Und Sie erfahren, mit welcher berühmten Persönlichkeit sich die Parlamentarierin gerne mal zum Kaffee oder Tee treffen würde.
Und so geht’s weiter
Gast in der nächsten Folge des Podcasts ist Simon Stadler aus dem Kanton Uri, der die Mitte vertritt.
Was bisher geschah
- Folge 1: SVP-Politiker Franz Grüter zu den Fails und Erfolgen der Schweizer Digitalpolitik
- Folge 2: Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey zu Cybersecurity, E-Government und Digitalisierung
- Folge 3: SP-Politikerin Min Li Marti zu Chancen und Risiken von E-Voting, E-Health und KI
- Folge 4: Jorgo Ananiadis, Präsident der Piratenpartei, zu überschätzter KI und Tinder-Demokratie
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Wie sich die Schweizer Parteien generell zu Digitalthemen äussern, erfahren Sie im Hintergrundartikel.