Nadia Schürch vom SBFI im Interview

Was der Ausschluss von Horizon Europe für die Schweizer Cybersecurity bedeutet

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von Coen Kaat

Als "nicht-assoziierter Drittstaat" ist die Schweiz vom europäischen Forschungsprogramm Horizon Europe teilweise ausgeschlossen. Was das für die Schweizer Cybersecurity-Forschung bedeutet und wie sich dies wiederum auf den Arbeitsmarkt auswirkt, sagt Nadia Schürch vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI).

Nadia Schürch, Wissenschaftliche Beraterin beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. (Source: zVg)
Nadia Schürch, Wissenschaftliche Beraterin beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. (Source: zVg)

An welchen aktuellen internationalen Forschungsprojekten ist die Schweiz beteiligt? 

Nadia Schürch: Es laufen zahlreiche internationale Forschungsprojekte im Bereich Cybersecurity mit Schweizer Beteiligung, viele davon werden von den Förderorganisationen Schweizerischer Nationalfonds und Innosuisse begleitet oder mit anderen Drittmitteln durchgeführt. Im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sind wir zuständig für die Beteiligung der Schweiz an Horizon Europe. Im Themenbereich Cybersecurity laufen zurzeit neun Projekte mit elf Schweizer Partnern aus KMUs, Start-ups und Hochschulen. Diese Projekte tragen die Akronyme CROSSCON, CERTIFY, SecOPERA, RESCALE, CyberSecDom, SYNERGISE, Sec4AI4Sec, CUSTODES und SYNAPSE

Wie profitiert die Schweiz von einer internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Forschung - insbesondere mit Blick auf die Cybersicherheit?

Die internationale Forschungszusammenarbeit hat für die Schweiz einen sehr hohen Stellenwert, da der globale Wissensaustausch und der Zugang zu internationalen Forschungsinfrastrukturen und Netzwerken für Wissenschaft und Wirtschaft von grosser Bedeutung sind. Forschungsthemen und diesbezügliche Fragestellungen, auch im Bereich der Cybersicherheit, machen nicht Halt vor Landesgrenzen. Länderübergreifende Zusammenarbeit in der Cybersicherheitsforschung ist deshalb zentral, damit wir gemeinsam von den Chancen profitieren und den Herausforderungen begegnen können. 

Was machen das SBFI und die SATW in diesem Bereich?

Die SATW unterhält eine Fachstelle für Cybersecurity, die vom Advisory Board Cybersecurity beraten wird. Im SBFI wird Cybersicherheit als Querschnittsthema behandelt. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der SATW und dem SBFI wurde initiiert, um die Herausforderungen zu diskutieren, die sich aus der aktuellen Nicht-Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe ergeben. Im September 2023 haben wir eine gemeinsame Networking- und Informationsveranstaltung organisiert, um mit den Akteuren ein gemeinsames Verständnis darüber zu entwickeln, wie im Bereich der Cybersicherheitsforschung und -innovation die Zusammenarbeit mit der EU und darüber hinaus weiterentwickelt werden kann.

Welche Hindernisse stehen einer internationalen Zusammenarbeit im Weg?

Die Nicht-Assoziierung an Horizon Europe erschwert auch in der Cybersicherheitsforschung die internationale Zusammenarbeit. Schweizer Forschende können sich zwar in der Regel an den Cybersecurity-Ausschreibungen von Horizon Europe beteiligen. Sie werden direkt vom SBFI finanziert. Hingegen sind sie von den Ausschreibungen des Programms Digital Europe (DEP) ausgeschlossen. Bis anhin gab es noch keinen Zugang zu diesem Programm; er muss neu verhandelt werden. Auch eine Teilnahme am neu gegründeten European Cybersecurity Competence Center (ECCC) und am entsprechenden Netzwerk ist nicht möglich. 

Die SATW und das SBFI haben zudem festgestellt, dass strategische und politische Fragen, welche die Position der Schweiz in der internationalen Forschungs- und Innovationslandschaft betreffen, in der Schweizer Cybersecurity Community teilweise wenig bekannt sind. 

Und wie lassen sich diese Hindernisse aus dem Weg räumen?

Wichtig scheint mir ein "whole of country approach". Auf Bundesebene setzen sich insbesondere das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) und der Cyber-Defence Campus der Armasuisse für die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit ein, deren Bedeutung sich auch in der Nationalen Cyberstrategie (NCS) widerspiegelt.

Eine Assoziierung an Horizon Europe würde die Schweizer Projektpartner auf der Ebene der Konsortien mit den EU-Partnern gleichstellen. Für das DEP gelten andere Regeln, weil die EU aus strategischen Gründen allenfalls weiterhin Ausschlüsse aus Cybersicherheitsprojekten vorsieht. Dies kann durch eine solide nationale Förderung nach dem Bottom-up-Prinzip und auf internationaler Ebene durch eine gute Vernetzung über bilaterale Initiativen abgefedert werden. 

An der erwähnten Veranstaltung wurde auch eine Studie vorgestellt, die einen Überblick über die strategische Cybersicherheitsforschung an den Hochschulen gibt. Die Diskussion ergab, dass eine Erweiterung der Forschungsübersicht auf die Industrie notwendig ist, um ein genaueres Bild der Forschungslandschaft in der Schweiz zu erhalten und um die Forschungslücken besser zu kennen. Diese könnten dann im Kontext der internationalen Vernetzung besser angegangen und vorhandene Kapazitäten effizienter genutzt werden. Entsprechende Abklärungen sind im Gange. 

Die Schweiz gilt beim Horizon-Paket 2021-2027 weiterhin als nicht assoziiertes Drittland. Können Sie kurz erklären, was das Horizon-Paket genau ist und was diese Einstufung als nicht assoziiertes Drittland für die Schweiz konkret bedeutet?

Zum Horizon-Paket gehören Horizon Europe, das Euratom-Programm, das DEP sowie die Beteiligung an der Forschungsinfrastruktur ITER. Im aktuellen Status als nicht assoziiertes Drittland können sich Projektteilnehmende in der Schweiz am Grossteil der Verbundprojekte von Horizon Europe beteiligen, aber sie können diese nicht koordinieren. Die Finanzierung der Schweizer Projektteilnehmenden erfolgt direkt durch das SBFI. Von gewissen Programmteilen sind Forschende und Innovatoren in der Schweiz ganz ausgeschlossen. Für einige davon werden über den Schweizerischen Nationalfonds, Innosuisse, die Europäische Weltraumorganisation (ESA) und das SBFI Übergangsmassnahmen umgesetzt. Diese Massnahmen können die fehlende Assoziierung zwar abfedern, aber sie können das sehr wichtige internationale Netzwerk nicht ersetzen. 

Der Bundesrat hat am 10. April 2024 Übergangsmassnahmen für 2024 von maximal 650 Millionen Franken beschlossen. Damit sollen Schweizer Beteiligungen bis zum Inkrafttreten eines Assoziierungsabkommens direkt durch den Bund finanziert werden. Ist das ein angemessener Betrag oder bleiben damit weiterhin viele Projekte auf der Strecke?

Den Forschenden stehen Mittel in der gleichen Grössenordnung wie bei einer Assoziierung zur Verfügung. Ein generelles Merkmal der Exzellenzförderung ist die Tatsache, dass bei Ausschreibungen in der Regel sehr viel mehr Projektvorschläge eingehen, als positiv evaluiert werden. Der Wettbewerb und die geringe Erfolgsquote betreffen jedoch alle Teilnehmenden gleichermassen, unabhängig vom Herkunftsland.  

Wie wirkt sich der mangelnde Anschluss an internationale Forschungsprojekte auf die Qualität und Attraktivität von Schweizer Hochschulen aus?

Insbesondere der Ausschluss von den meisten der prestigeträchtigen und hochdotierten Einzelförderungsinstrumenten des European Research Council (ERC) und der Marie-Skłodowska-Curie-Aktionen (MSCA, Mobilitätsinstrument) sind für Forschende an Schweizer Hochschulen einschneidend. Es besteht die Gefahr, dass junge Forschende ihre wissenschaftliche Karriere im Ausland fortsetzen und der Schweiz als Nachwuchstalente fehlen. Der Bundesrat strebt in den laufenden Verhandlungen mit der EU deshalb eine rasche Assoziierung an.

Und was bedeutet dies für den hiesigen Arbeitsmarkt im Bereich Cybersecurity?

Die Talentabwanderung von Schweizer Hochschulen ins Ausland hätte auch in diesem Bereich negative Konsequenzen. Start-ups und KMUs sind ebenfalls von den Ausschlüssen bei der Einzelförderung betroffen, namentlich aus dem Förderinstrument Accelerator des European Innovation Councils (EIC). Dies kann die Gewinnung von Inverstoren erschweren, wobei Innosuisse 2022 und 2023 ein Ersatzinstrument zum Accelerator lanciert hat. Grundsätzlich haben Start-ups und KMUs zwar die Möglichkeit, eine zusätzliche rechtliche Basis in einem anderen Land zu etablieren, allerdings greifen in der der EU zunehmend die Investitionskontrollmechanismen für strategische Themen wie Cybersecurity, so dass unter Umständen der Zugang trotzdem verwehrt bleibt. 

Welche Rolle kann die Privatwirtschaft dabei spielen? Wie kann sie die internationale Kooperation fördern?

Die Schweiz verfügt über eine reiche und fortschrittliche Start-up-Szene im Bereich der Cybersecurity, die sich mit innovativen Lösungen international noch besser positionieren könnte. Zusätzlich zu den bereits genannten Punkten möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, Mitglied der European Cyber Security Organisation (ECSO) zu werden, einer europäischen, sektorübergreifenden Mitgliederorganisation. Sie trägt zur Entwicklung von Cybersecurity-Gemeinschaften und zum Aufbau des europäischen Cybersecurity-Ökosystems bei. Die ECSO ist ein Zusammenschluss des öffentlichen und privaten Sektors und steht auch Schweizer Institutionen offen.  

 

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