Behördenfunksystem Polycom kämpft mit Verzögerungen
Der Aufbau des neuen sicheren Behördenfunksystems Polycom kommt nicht so rasch voran, wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz plant. Grund sollen Schwierigkeiten beim Aufbau von Fachwissen beim Umsetzungspartner Atos Schweiz sein. Neue Massnahmen sollen das Projekt nun wieder auf Kurs bringen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) hat Schwierigkeiten mit zwei wichtigen Projekten zur sicheren Kommunikation. Es sei beim Werterhalt des Sicherheitsfunksystems Polycom sowie beim Aufbau des sicheren Datenverbundsystems (SDVS) zu Verzögerungen gekommen, teilt die Behörde mit.
Gemäss dem BABS handelt es sich bei Polycom um ein flächendeckendes, sicheres Funknetz verschiedener Rettungs- und Sicherheitsorganisationen wie Grenzwacht, Polizei, Feuerwehr, sanitätsdienstliches Rettungswesen, Zivilschutz und unterstützende Verbände der Armee. Beim Projekt zur Werterhaltung gehe es darum, die Nutzung des in die Jahre gekommenen Systems bis mindestens 2030 sicherzustellen.
Atos Schweiz in der Pflicht
Zwar habe man bereits im Mai vergangenen Jahres eine Schnittstelle für die Kommunikation zwischen der alten und neuen Technologie fertiggestellt, schreibt das BABS weiter. Die zurzeit laufende Einbettung der neuen Funksystemkomponenten in die kantonalen Datennetzumgebungen stelle jedoch hohe Anforderungen an die Qualität und Sicherheit. "Die Errichtung dieser gegen Cyber-Angriffe zu schützenden Netzzonen erfordert fundiertes und spezifisches Fachwissen. Dieses Wissen aufzubauen hat sich auf Seiten des Systemintegrators Atos Schweiz AG als komplexer und schwieriger als ursprünglich angenommen herausgestellt."
Inzwischen seien die geplanten Zeitreserven für die Vorbereitung der kantonalen Netzinfrastrukturen nahezu ausgeschöpft, und es bestehe das Risiko, die alten und neuen Komponenten des Systems über das Jahr 2025 hinaus parallel betreiben zu müssen, schreibt die Behörde weiter.
Der Zeitplan soll möglichst eingehalten werden
"Damit sowohl die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen als auch der enge Zeitplan eingehalten werden können, wurde die Zusammenarbeit zwischen dem BABS und Atos Schweiz AG seit Anfang Jahr intensiviert", führt das Bundesamt aus. Neu gibt es wöchentliche bilaterale Kontakte zwischen dem neuen Atos-Schweiz-Chef Bruno Schenk und der BABS-Direktorin Michaela Schärer, "um bei Bedarf mit Sofortmassnahmen reagieren zu können". Auch die Projektleitungsteams von Atos Schweiz und BABS tauschen sich neu wöchentlich aus. Zudem habe der IT-Dienstleister Atos Schweiz angekündigt, seine Projektorganisation mit zusätzlichen Steuerungsmassnahmen und Fachspezialisten zu verstärken.
Auf Anfrage teilt Atos Schweiz mit, man sei sich der Kommunikation des BABS bezüglich gewisser Verzögerungen im Projekt für das Sicherheitsfunksystem Polycom bewusst. Weiter heisst es: "Seit Anfang des Jahres arbeitet Atos eng mit dem BABS zusammen, um die Effizienz und die Governance bei diesem Projekt zu intensivieren und das Projekt innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens abzuschliessen." Auf die Frage, warum der Aufwand, fundiertes Fachwissen aufzubauen, unterschätzt wurde, schreibt Atos Schweiz: "Alle Grossprojekte haben ihre Tücken und unvorhergesehenen Herausforderungen", und verweist erneut darauf, die notwendigen Schritte eingeleitet zu haben, um das Projekt innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens abzuschliessen.
SDVS wird aufgeteilt
Derweil habe man den Aufbau des sicheren Datenverbundsystems (SDVS) aufgrund der grossen technischen Komplexität einer Gesamtbeurteilung unterzogen, schreibt das Bundesamt weiter. Dies habe zu einem verzögerten Start des Projekts geführt.
Neu soll das Projekt in drei Teilprojekte aufgeteilt und in ein Programm überführt werden. Die neuen Teilprojekte heissen "Sicheres Datenverbundnetz", "Datenzugangssystem" und "Lageverbundservices".
"Dieses Vorgehen ermöglicht es, sich zunächst auf die dringenden und umsetzungsreifen Projektschritte zu konzentrieren und noch im März mit der Konzeptphase für die Projekte Sicheres Datenverbundnetz und Datenzugangssystem zu starten", erklärt das BABS.
Dank der Überführung in ein Programm könne man auf die zahlreichen und unterschiedlichen Abhängigkeiten mit anderen Geschäftsfeldern und Projekten des BABS Rücksicht nehmen. Der dafür erforderliche personelle Aufbau beim BABS sei im Gange, schreibt die Behörde.
Im vergangenen Herbst erhielt Atos Schweiz übrigens auch den Zuschlag, ein neues Ermittlungssystem für das Bundesamt für Polizei zu entwickeln. Mehr zu diesem Zuschlag lesen Sie hier.
Weniger Erfolg hatte Atos beim Versuch, den IT-Dienstleister DXC Technology zu übernehmen. Das Unternehmen lehnte das Kaufangebot in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar ab.