Schweizer Strafverfolger überwachen deutlich häufiger
Im Jahr 2022 haben Strafverfolgungsbehörden und NDB insgesamt 27 Prozent mehr Überwachungsmassnahmen angeordnet als im Vorjahr. Besonders stark nahm die Anzahl der Antennensuchläufe zu. Ein Drittel der Massnahmen steht im Zusammenhang mit Vermögensdelikten.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und die Strafverfolgungsbehörden haben im Jahr 2022 mehr Überwachungsmassnahmen angeordnet als im Vorjahr. Insgesamt seien beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF) 27 Prozent mehr Massnahmen verhängt worden als im Vorjahr, teilt der Bund mit. Zum Vergleich: 2022 meldeten die Behörden einen Rückgang der Überwachungsmassnahmen um 10 Prozent.
Fast doppelt so viele Antennensuchläufe
Konkret stieg die Anzahl Echtzeitüberwachungsmassnahmen von 1155 auf 1218 an. Rückwirkende Überwachungsmassnahmen verordneten die Behörden 8814 Mal – 2021 waren es noch 6265 Fälle.
Die Zahlen in die Höhe trieben die verordneten Antennensuchläufe. 3317 davon ordneten die Behörden 2022 an – im Vorjahr waren es noch 1695. Die Anzahl der Suchläufe verteilt sich dabei jeweils auf gleich viele Fälle, wie der Bund anmerkt: Wie schon 2021 haben die Strafverfolgungsbehörden und der NDB in 27 Fällen Antennensuchläufe angeordnet. Diese Zunahme der durchgeführten Antennensuchläufe bei gleichbleibender Fallzahl könne verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise die Erhöhung der Anzahl Mobilfunkantennen im betroffenen Gebiet. Lasse man die Antennensuchläufe ausser Betracht, betrage die die Steigerung der Überwachungsmassnahmen lediglich 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, heisst es in der Mitteilung.
Um 21 Prozent zugenommen hat auch die Anzahl der beim Dienst ÜPF eingeholten komplexen und einfachen Auskünfte. Die Anzahl Anfragen nach komplexen Auskünften sei um 33 Prozent gestiegen, während mit 14'483 Auskünften 59 Prozent mehr komplexe Auskünfte (darunter Ausweiskopien oder Vertragsdaten) geliefert wurden. Pro Anfrage könnten jeweils mehrere Ergebnisse geliefert werden, erklärt der Bund die Diskrepanz. Derweil nahm die Anzahl erteilter einfacher Auskünfte (wie Telefonbuch- oder IP-Adressen-Abfragen) um 19 Prozent auf 356'286 zu.
Vermögensdelikte und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Wie schon im Vorjahr erfolgten die meisten Überwachungsmassnahmen zur Aufklärung von Vermögensdelikten. Ihr Anteil sank indes leicht, von 37 Prozent im Vorjahr auf 33 Prozent im Jahr 2022. Ein Viertel der Massnahmen ordneten die Behörden zur Ermittlung von schweren Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz an und fast 9 Prozent für Notsuchen. Rund 5 Prozent der Massnahmen erfolgten jeweils aufgrund strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben sowie Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen letztere um fast 70 Prozent zu, wie der Bund anmerkt. Die übrigen Überwachungsmassnahmen teilen sich auf Fahndungen und diverse Deliktarten auf, darunter auch strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität sowie Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden.
6,7 Millionen Franken Entschädigung
In 7 Fällen (Vorjahr: 11) setzten die Behörden "besonderen Informatikprogramme" (Govware) ein. Dafür griffen sie etwas häufiger (120 im Vergleich zu 112 Mal im Vorjahr) zu "besonderen technischen Geräten" (IMSI-Catcher). Die Hard- und Software-Tools kamen vorwiegend bei Betäubungsmitteldelikten und im Fall der Hardware auch bei Notsuchen nach vermissten Personen zum Einsatz.
Gestiegen sind schliesslich auch die durch Strafverfolgungsbehörden und NDB entrichteten Gebühren. Sie belaufen sich insgesamt auf fast 12,4 Millionen Franken – 6 Prozent mehr als im Vorjahr. Den Mitwirkungspflichtigen, darunter Telkos wie Swiscom oder Sunrise, aber auch die Schweizerische Post, wurden Entschädigungen in der Höhe von rund 6,7 Millionen Franken vergütet.
Entgegen seinen Befugnissen hat der Nachrichtendienst des Bundes fünf Jahre lang nicht bewilligte Abhöraktionen durchgeführt. Eine unabhängige Untersuchung bescheinigte in einem ende 2022 veröffentlichten Bericht, dass der NDB nicht schuldhaft gegen das Gesetz verstossen habe und empfahl organisatorische Änderungen. Mehr dazu lesen Sie hier.
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