Vincent Lenders von Armasuisse im Interview

So stärkt die ECSO-Mitgliedschaft die Schweizer Cybersicherheit nachhaltig

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von Coen Kaat

Seit Mitte Oktober ist das VBS Mitglied der European Cyber Security Organisation (ECSO). Welche Ziele es dabei verfolgt, wie die Mitgliedschaft die Schweizer Cybersicherheit stärkt und wie der hiesige Wirtschaftsraum davon profitiert, sagt Vincent Lenders, Leiter des Cyber-Defence Campus und Leiter Fachbereich Cyber Sicherheit und Data Science bei Armasuisse Wissenschaft und Technologie.

Vincent Lenders, Leiter des Cyber-Defence Campus und Leiter Fachbereich Cyber Sicherheit und Data Science bei Armasuisse Wissenschaft und Technologie. (Source: zVg)
Vincent Lenders, Leiter des Cyber-Defence Campus und Leiter Fachbereich Cyber Sicherheit und Data Science bei Armasuisse Wissenschaft und Technologie. (Source: zVg)

Gemäss einer Mitteilung vom 21. August hat der Bundesrat das VBS ermächtigt, einen Antrag auf Mitgliedschaft zur European Cyber Security Organisation (ECSO) zu stellen. Wo steht der Prozess aktuell? Wurde der Antrag bereits angenommen?

Vincent Lenders: Ja, der Antrag wurde angenommen. Am 16. Oktober 2024 hat der Vorstand der European Cyber Security Organisation (ECSO) dem Mitgliedschaftsantrag des VBS zugestimmt.

Was sind die kurzfristigen und langfristigen Ziele der Schweiz im Rahmen der ECSO-Mitgliedschaft?

Als Technologiezentrum des VBS ist es die Aufgabe des Cyber-Defence Campus von Armasuisse, neue Cybertechnologien frühzeitig zu erkennen, ihr Potenzial zu bewerten und ihre Entwicklung zu verfolgen, um fundierte technologische Entscheidungen treffen zu können. Im Rahmen unserer Mitgliedschaft bei der ECSO verfolgen wir dabei sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele:

  • Frühzeitiger Zugang zu Informationen über kommende Forschungsprogramme und Schwerpunkte: Die ECSO-Mitgliedschaft ermöglicht uns direkten Einblick in aktuelle und geplante Forschungsinitiativen auf nationaler und internationaler Ebene.
  • Aufbau eines breiten Expertennetzwerks: Durch die Zusammenarbeit mit Industrie, Verwaltung und Universitäten innerhalb von ECSO können wir unser Netzwerk erweitern und uns über neueste Technologien und Forschungsthemen austauschen.
  • Erhalt von Informationen und Einschätzungen zu Chancen und Risiken neuer Technologien: Die Teilnahme an spezialisierten Arbeitsgruppen innerhalb von ECSO hilft uns, fundierte Analysen zu aufkommenden Technologien zu erhalten.
  • Förderung von Innovation und Forschung: Langfristig möchten wir die Entwicklung innovativer Technologien unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen schweizerischen und europäischen Forschungseinrichtungen fördern.
  • Die Mitgliedschaft bei ECSO leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele und unterstützt uns dabei, die Schweiz sowohl kurzfristig als auch langfristig erfolgreich im technologischen und sicherheitspolitischen Umfeld zu positionieren.

Wie bewerten Sie die Entscheidung des Bundesrates, der ECSO beizutreten, hinsichtlich der langfristigen Stärkung der Schweizer Cybersicherheit?

Wir sind überzeugt, dass dieser Schritt massgeblich zur langfristigen Stärkung der Schweizer Cybersicherheit beitragen wird.

Welche konkreten Vorteile bietet die Mitgliedschaft bei der ESCO?

Die Mitgliedschaft bei der European Cyber Security Organisation (ECSO) bietet dem Bund folgende konkrete Vorteile:

  • Frühzeitiger Zugang zu Empfehlungen und Prioritäten: Der Bund erhält frühzeitig Einsicht in ECSO-Empfehlungen, was die Antizipation technologischer Entwicklungen erleichtert.
  • Mitgestaltung von Forschungsschwerpunkten: Eigene Vorschläge können eingebracht werden, um die Ausrichtung der europäischen Cybersecurity-Forschung mitzuprägen.
  • Zugang zu Arbeitsgruppen: Direkter Austausch mit Expertinnen und Experten aus Industrie, Verwaltung und Wissenschaft fördert den Wissenstransfer.
  • Einfluss auf Technologiepapiere: Frühzeitiger Zugang und aktive Mitgestaltung bei der Erstellung von Technologiepapieren; Möglichkeit, eigene Themen zu initiieren und auf internationale Expertise zurückzugreifen.

Diese Vorteile ermöglichen es dem Bund, fundierte Technologieentscheidungen zu treffen und die Schweizer Cybersicherheit nachhaltig zu stärken.

Welche Verpflichtungen bringt diese Mitgliedschaft mit sich für die Schweiz?

Die Mitgliedschaft ist für nationale öffentliche Verwaltungen kostenlos. Als ECSO-Mitglied verpflichtet sich der Bund zur Einhaltung der Statuten und Satzungen der Vereins. Die Mitgliedschaft zieht keine zusätzlichen finanziellen oder personellen Verpflichtungen für den Bund nach sich. Allfällige Selbstkosten, die der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Rahmen der Beteiligung entstehen, werden über das ordentliche Budget des VBS finanziert.

Inwiefern profitiert der Schweizer Wirtschaftsraum ebenfalls von dieser Mitgliedschaft?

Der Schweizer Wirtschaftsraum profitiert von der Mitgliedschaft bei der ECSO. Durch diese Mitgliedschaft erhält die Schweiz Zugang zu mehreren ECSO-Initiativen, die neue Chancen für den Cybersicherheitssektor eröffnen.

Eine bedeutende Initiative ist die European Cybersecurity Investment Platform (ECIP), an der die ECSO seit 2020 arbeitet. Diese Plattform hat das Ziel, über einen Zeitraum von fünf Jahren mindestens eine Milliarde Euro an Investitionen zu mobilisieren, um die Finanzierungslücke im europäischen Cybersicherheitssektor zu schliessen. Zudem fördert die ECSO durch Veranstaltungen wie die Cyber Investor Days den Austausch zwischen Investoren und Akteuren im Cybersicherheitsbereich. Diese Events bieten Gelegenheiten, Investitionsmöglichkeiten zu erkunden und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Durch Aktivitäten wie Pitch- und Schulungssitzungen, B2B-Meetings und Networking-Veranstaltungen wird die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene gestärkt.

Die Mitgliedschaft ermöglicht es der Schweiz, aktiv an der europäischen Cybersicherheitslandschaft mitzuwirken. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Wirtschaftsraums und fördert Innovationen im Bereich der Cybersicherheit. Durch den erweiterten Zugang zu Netzwerken, Investitionsmöglichkeiten und internationaler Expertise wird die Position der Schweiz auf dem globalen Markt verbessert.

Was kann die Schweiz von der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern im Bereich Cybersicherheit lernen?

Die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern im Bereich der Cybersicherheit bietet der Schweiz zahlreiche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten. Obwohl die ECSO nicht primär eine Vereinigung von Ländern ist, sondern von Agenturen, Organisationen und Unternehmen aus verschiedenen europäischen Staaten, profitiert die Schweiz durch den Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken dieser vielfältigen Mitglieder.

Durch die Teilnahme an gemeinsamen Projekten und Initiativen innerhalb der ECSO kann die Schweiz auf kollektive Expertise zugreifen und Ressourcen effizienter nutzen. Dies ermöglicht es, neueste Technologien, Strategien und innovative Lösungen zur Abwehr von Cyberbedrohungen zu adaptieren und zu entwickeln. Die Schweiz kann so ihre Fähigkeiten im Bereich der Cyberabwehr stärken und sich an der Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsstandards beteiligen, was nicht nur zur eigenen Sicherheit beiträgt, sondern auch zur Stabilität im gesamten europäischen Raum.

Der internationale Austausch innerhalb der ECSO ermöglicht zudem ein besseres Verständnis der sich ständig weiterentwickelnden Cyberbedrohungslandschaft. Durch den Informationsaustausch kann die Schweiz frühzeitig auf neue Risiken reagieren und ihre Strategien entsprechend anpassen.

Wie kann die Schweiz ihre Interessen und Schwerpunkte in den ECSO-Arbeitsgruppen einbringen und aktiv mitgestalten?

Die Schweiz kann ihre Interessen und Schwerpunkte in den ECSO-Arbeitsgruppen einbringen, indem sie aktiv an den Sitzungen teilnimmt und Fachleute entsendet, die ihre Perspektiven vertreten. Durch das Vorschlagen eigener Themen und Projekte kann sie die Agenda mitgestalten und sicherstellen, dass nationale Prioritäten berücksichtigt werden. Bei der Ausarbeitung von Strategie- und Technologiepapieren kann die Schweiz mitwirken und so Inhalte beeinflussen, die für sie wichtig sind. Die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern ermöglicht es, gemeinsame Interessen zu identifizieren und Allianzen zu bilden, um bestimmte Themen voranzutreiben.

Und wie wird die Schweiz sich bei der ECSO einbringen? Welche Themen und Schwerpunkte will sie hier setzen?

Die Schweiz wird sich bei der ECSO aktiv einbringen, indem sie den Arbeitsgruppen 5 und 6 beitritt. Arbeitsgruppe 5 konzentriert sich auf die Förderung einer cyberresilienten digitalen Gesellschaft der nächsten Generation durch verstärkte Bildung, Kompetenzentwicklung, Zugang zu Trainings und Jobs sowie Massnahmen zur Sensibilisierung. Hier möchte die Schweiz ihre Expertise in der Entwicklung von Bildungsstandards und der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Akademie einbringen, beispielsweise durch Initiativen wie Youth4Cyber.

Arbeitsgruppe 6 hat das Ziel, die EU-Roadmap für Forschung und Innovation im Bereich Cybersicherheit zu definieren und ein resilientes europäisches Ökosystem aufzubauen. Die Schweiz plant, sich an der Definition strategischer Visionen, der Identifizierung zukünftiger Forschungsherausforderungen und der Veröffentlichung technischer Papiere zu beteiligen. Dadurch kann sie wertvolle Einblicke in den aktuellen Stand der Technik gewinnen und an der Festlegung von ECSO-Prioritäten mitwirken.

Wir schliessen eine aktive oder passive Beteiligung an weiteren Arbeitsgruppen in der Zukunft nicht aus. Je nach Bedarf und Relevanz werden wir unsere Mitarbeit ausweiten, um unsere Interessen bestmöglich zu vertreten und von den Erfahrungen anderer Mitglieder zu profitieren. Unser Schwerpunkt liegt darauf, die Schweizer Perspektive in die Diskussionen einzubringen, die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu stärken und gemeinsam effektive Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Cybersicherheit zu entwickeln.

Wie werden die in der ECSO gewonnenen Erkenntnisse in die IT-Sicherheitsstrategie der Schweiz integriert?

Die Zusammenarbeit mit der ECSO bietet der Schweiz wertvolle Möglichkeiten, von den neuesten Entwicklungen und Best Practices im Bereich der Cybersicherheit zu profitieren. Durch den aktiven Austausch und die enge Kooperation mit internationalen Partnern können wir kontinuierlich unsere Strategien weiterentwickeln und an globale Standards anpassen.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Koordination zwischen den nationalen Fachstellen und den internationalen Partnern innerhalb der ECSO?

Die Koordination zwischen den nationalen Fachstellen und den internationalen Partnern innerhalb der ECSO stellt für uns keine besondere Herausforderung dar. Als Schnittstelle zwischen Akademie, Wirtschaft und Verwaltung sind wir es gewohnt, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen und effektiv zu koordinieren. Diese Art der Zusammenarbeit gehört zu unserem täglichen Geschäft, weshalb wir keine zusätzlichen Schwierigkeiten in der Kooperation mit internationalen Partnern sehen.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Schweiz durch die ECSO-Mitgliedschaft stärker in EU-weite Forschungsprogramme integriert wird?

Obwohl die ECSO seit Juli 2016 eine öffentlich-private Partnerschaft mit der EU-Kommission im Bereich Cybersicherheit unterhält, bleibt sie ein unabhängiger Non-Profit-Verein. Die Mitgliedschaft der Schweiz in der ECSO hat keinen direkten Einfluss darauf, ob die Schweiz stärker in EU-weite Forschungsprogramme integriert wird. Die ECSO kann die Teilnahme der Schweiz an EU-Forschungsprogrammen nicht beeinflussen.

Welche Rolle spielen öffentlich-private Partnerschaften im Cybersicherheitssektor, wie sie von der ECSO gefördert wird, in der Schweiz?

Öffentlich-private Partnerschaften spielen im Schweizer Cybersicherheitssektor eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen, Unternehmen und akademischen Institutionen, um Ressourcen und Wissen zu bündeln und effektiv gegen Cyberbedrohungen vorzugehen. Das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) fördert solche Kooperationen in der Schweiz. Diese Partnerschaften ermöglichen einen schnellen Informationsaustausch über aktuelle Bedrohungslagen und die Entwicklung gemeinsamer Abwehrstrategien.

 

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